Trotz wirtschaftlichem Druck auf die Medien und grosser Verunsicherung in den Redaktionen hat der QuaJou am 21. November 2024 ein Zeichen gesetzt: 170 Medienschaffende diskutierten am kostenlosen JournalismusTag.24 in Winterthur die Zukunftsperspektiven des Journalismus.

Mit 170 Teilnehmenden stiess der JournalismusTag 2024 des Vereins Qualität im Journalismus (QuaJou) auf grosses Interesse. Anlässlich seines 25-Jahr-Jubiläums hatte der Verein den Anlass erstmals kostenlos angeboten – ein bewusstes Signal in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten.

Die Keynote-Sprecherin Silvia Princigalli, die unter anderem zur Gründungsredaktion von «izzy» gehörte, eröffnete den Tag mit einer zukunftsgerichteten Analyse: Wie können Krisen die Innovation im Journalismus fördern? «Ich habe so oft geweint und war am Boden zerstört. Wichtig ist: Die Hoffnung nicht verlieren, agil bleiben und keine Angst haben, anders zu sein», so Princigalli. «Bleibt offen und neugierig für Möglichkeiten, bleibt demütig und fleissig und sucht nach Gleichgesinnten und Talenten.»

Im Zentrum des Programms standen aktuelle Herausforderungen der Branche: ZHAW-Medienprofessor Vinzenz Wyss präsentierte erstmals die Ergebnisse zur politischen Orientierung in Redaktionen aus der neusten ZHAW-Berufsfeldstudie. Diese zeigt: Im Schweizer Journalismus droht eine Prekarisierung – und der Schweizer Journalismus ist nicht sehr divers. «Wenn man es hinkriegt, dass auch Leute ohne Hochschulabschluss in die Redaktionen kommen, gäbe es wohl auch mehr politische Diversität in der Berichterstattung», sagte Panel-Teilnehmerin Camille Lothe (Nebelspalter, SVP). Bedenklich die Feststellung der freien Journalistin Eva Hirschi: «Ich kenne Journalistinnen und Journalisten, die nebenbei auch noch in einer Bar arbeiten – und häufig ist das nicht freiwillig.»
Mehr zur Studie gibt es im Artikel von persoenlich.com.
«Als Journalist soll man nicht täuschen»
Simon Bärtschi, publizistischer Leiter von Tamedia, stellte sich in einem Panel kritischen Fragen zum Abbau der regionalen Onlineauftritte. Matthias Ackeret, Verleger und Chefredaktor von persönlich, ordnete die Entwicklung als unabhängiger Medienexperte ein. Zum Start des Panels wurde vereinbart, dass alle Informationen im Raum bleiben sollen, um eine möglichst offene Diskussion zu ermöglichen.

Neue Perspektiven eröffneten die weiteren Programmpunkte: Thomas Benkö von der Blick-Gruppe zeigte in einem Workshop die Chancen und Grenzen von KI-Tools im Journalismus auf. Wichtig aber: «Als Journalist soll man nicht täuschen – auch nicht mit den neuen Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen.»
Drei ausgezeichnete Nachwuchsjournalisten – Livia Fischer (CH Media), Deniz Kurtogullari (SRF News) und Ernst Field (Bajour) – zeigten auf, wie der Beruf trotz Sparprogrammen attraktiv bleiben kann. Der gemeinsame O-Ton: «Möglichkeiten der Weiterentwicklung, Rückendeckung, wenn es mal schief läuft – und gute Führungspersönlichkeiten.»

Bei der Diskussion zur US-Präsidentschaftswahl analysierten SRF-Moderator Arthur Honegger und Isabelle Stadelmann-Steffen, Professorin für Vergleichende Politik an der Universität Bern, die Rolle traditioneller und sozialer Medien. Honegger sagte, dass man sich überlegen müsse, weshalb man das Publikum nicht mehr erreiche: «Viele Leute glauben einer Elite nicht mehr – und Journalisten zählen zu dieser Elite. Das hat mit einer starken Akademisierung unseres Berufes zu tun.»

Über journalistische Selbstverantwortung und deren Auswirkungen auf die Medienfreiheit debattierten unter anderem Presserat-Präsidentin Susan Boos und Hansi Voigt (Gründer Watson, heute Bajour). Es ging auch um das hängige Gerichtsurteil im Fall Spiess Hegglin. Dazu sagte Boos, dass der Blick sich klar falsch verhalten habe – aber: «Es hat sich beim Blick sehr viel verändert. Solche Geschichten werden heute nicht mehr gemacht.» Dem stimmte auch Voigt zu.

Den Abschluss bildete eine Diskussionsrunde zur Qualitätssicherung in Zeiten knapper Ressourcen. SRF-Moderator Sandro Brotz diskutierte mit Stefan Ryser (Blue News), Sabine Eva Wittwer (Migros-Magazin) und Marcello Odermatt (Der Bund) die Herausforderungen und Lösungsansätze aus Sicht der Chefredaktionen. Odermatt sagte: «Die Tatsache, dass die Zitrone immer weiter ausgepresst wurde, hat uns in den letzten zehn Jahren dazu gezwungen, unseren Journalismus zu fokussieren.» Wittwer meinte: «Wir haben viel weniger Zeit, in der wir im Prinzip unproduktiv sind.» Aber genau in dieser «toten Zeit» würden Ideen und somit eine vielfältige Berichterstattung entstehen. Ryser gab zu bedenken: «Was mich stört, ist, dass sich die ganzen Diskussionen oft nur ums Sparen drehen und nicht darum, wie man Junge erreichen kann.»
«Die intensiven Diskussionen zeigen, wie wichtig der Austausch und neue Perspektiven in der Branche sind», bilanzieren Fabienne Kinzelmann und Franz Fischlin, Co-Präsidium des QuaJou. «Gerade in Zeiten des Umbruchs braucht es Plattformen wie den JournalismusTag, wo wir Medienschaffenden offen über Herausforderungen sprechen und gemeinsam Lösungen entwickeln können. Die hohe Teilnehmerzahl bestätigt uns in unserem Engagement für Qualität im Journalismus.»
Der kostenlose Zugang zum JournalismusTag, der traditionell am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft der ZHAW stattfindet, wurde durch Sponsoren und die finanziellen Reserven des Vereins ermöglicht. Diese Entscheidung fiel vor dem Hintergrund der aktuellen Sparprogramme bei fast allen grossen Verlagen sowie der SRG und Keystone-SDA.
Der nächste JournalismusTag findet am 20. November 2025 statt.
Weitere Impressionen gibt es im Fotoalbum
