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«Der Lokaljournalismus war noch nie so gut wie jetzt»

Spardruck, weniger Personal, neue Finanzierungsmodelle: Am «Q-Club» des Vereins Qualität im Journalismus diskutierten Medienprofis aus führenden Schweizer Redaktionen die Zukunft des Lokaljournalismus. Trotz vieler Herausforderungen blicken sie überraschend optimistisch in die Zukunft.

Diskutierten über Lokaljournalismus (v.l.): Daniel Fritzsche, Fabienne Sennhauser, Elio Donauer und Noemi Heule. (Bild: QuaJou/Manuela Matt, manuelamatt.ch)

Unter der Leitung von Urs Bühler (QuaJou-Vorstand) und Alexandra Pavlović (neue QuaJou-Co-Präsidentin) diskutierten nach der Generalversammlung vom Dienstag, 13. Mai 2025, Noemi Heule (St. Galler Tagblatt), Fabienne Sennhauser (Tages-Anzeiger), Elio Donauer (Tsüri) und Daniel Fritzsche (NZZ) über die Lage des Lokaljournalismus in der Schweiz.

Was macht guten Lokaljournalismus aus?

«Guter Journalismus schaut den Mächtigen auf die Finger – auch im Lokalen», betonte Noemi Heule. «Gerade hier ist es wichtig, dass man schaut, wo der Mensch ist und was die Lebenswelten der Leute sind.» Für Elio Donauer ist zentral, «Themen in die Öffentlichkeit zu tragen und dort Debatten anzustossen».

Fabienne Sennhauser ergänzte: «Lokaljournalismus ist Journalismus mit und für die Leute, denen man täglich auf der Strasse begegnet.» Daniel Fritzsche sprach von der «Balance zwischen Pflicht und Kür» – zwischen politischer Berichterstattung und gut erzählten Hintergrundgeschichten.

Redaktionen unter Druck

Die Herausforderungen sind allerdings beträchtlich. «Der Druck ist spürbar. Immer weniger Mitarbeitende müssen immer mehr leisten», sagte Sennhauser. Heule bestätigte: «Man spürt den Spardruck. Die einzelnen Teams sind für ein grösseres Gebiet zuständig.» Aussenstellen wie jene in Rorschach wurden abgebaut. «Es macht einen Unterschied, ob man sich täglich durch das Städtchen bewegt, über das man schreibt.»

Elio Donauer von Tsüri.ch und Noemi Heule vom St. Galler Tagblatt. (Bild: QuaJou/Manuela Matt, manuelamatt.ch)

Als Vertreter eines digitalen Mediums stellte Elio Donauer das Geschäftsmodell von Tsüri.ch vor: Das Stadtmagazin finanziert sich zu gleichen Teilen über Mitgliedschaften, Werbung und Sponsoring – ohne Paywall. «Wir haben 2500 Members, die zwischen 100 und 500 Franken pro Jahr zahlen.»

Daniel Fritzsche widersprach der These einer sinkenden Zahlungsbereitschaft: «Wir hatten noch nie so viele Abonnenten wie jetzt bei der NZZ.» Mittlerweile mache das Unternehmen 60 Prozent seines Umsatzes mit digitalen Abos.

Relevanz versus Klickzahlen

Was ist relevant im Lokalteil? Sennhauser verteidigte den Lokaljournalismus gegen den Vorwurf, zu sehr auf Klicks zu schielen: «Wenn es einen Journalismus gibt, der sich noch am ehesten davon lösen kann, dann ist es der Lokaljournalismus.»

Fabienne Sennhauser vom Tages-Anzeiger. (Bild: QuaJou/Manuela Matt, manuelamatt.ch)

Fritzsche betonte die Bedeutung bestimmter Themen unabhängig von der Reichweite: «Wir gehen jeden Montag in den Kantonsrat, jeden Mittwoch in den Gemeinderat – auch wenn das schlecht geklickt wird.»

Stadt-Land-Gefälle

Ein wichtiges Thema war auch das Stadt-Land-Gefälle. Fritzsche bemerkte, dass neue Mitarbeiter in lokalen Redaktionen «selber weniger verankert sind in den Regionen, über die sie berichten». Bühler verwies auf eine Studie, die festgestellt habe, «dass es in ländlichen Gebieten deutlich mehr Probleme für den Regionaljournalismus gibt als in städtischen».

Daniel Fritzsche von der NZZ. (Bild: QuaJou/Manuela Matt, manuelamatt.ch)

Trotz aller Schwierigkeiten blickten die Diskussionsteilnehmer optimistisch in die Zukunft. «Ich habe keine Zukunftsangst», betonte Sennhauser. «Den Journalismus wird es immer geben und es wird ihn immer brauchen.»

Elio Donauer pflichtete bei: «Wenn man einen guten und relevanten Markt hat, wird es Leute geben, die zahlen – ob mit Zwang oder freiwillig.»

Die Podiumsdiskussion machte deutlich: Trotz aller Herausforderungen ist der Lokaljournalismus lebendig. Und entgegen mancher Untergangsszenarien war Fabienne Sennhauser überzeugt: «Qualitativ war der Lokaljournalismus wahrscheinlich noch nie so gut wie heute.»